Die Geschichte des Braunbären in der Schweiz
Der Braunbär gilt in der Schweiz seit 1904 als ausgerottet, nachdem er zuvor im Mittelland, im Jura und in den Alpen sukzessive verschwunden war. Ursachen waren vor allem die unkontrollierte Jagd, die zunehmend verbesserte Waffentechnik und die Verdichtung menschlicher Siedlungen. Seit 2005 wandern wieder einzelne Tiere aus dem italienischen Trentino ein und markieren damit die Rückkehr des Braunbären in die Schweiz.
Die Geschichte der Ausrottung
Geschichte des Bären im Mittelland
Die Ausrottung des Bären in der Schweiz ist gut dokumentiert. Prof. Dr. Kurt Eiberle trug minutiös Bärendaten aus fast fünf Jahrhunderten zusammen. So wissen wir, dass bereits im 15. Jahrhundert die Bärensichtungen im Mittelland deutlich abnahmen. Spätestens ab dem 18. Jahrhundert verschwand der Bär allmählich aus dem Mittelland. Der letzte Nachweis im Mittelland stammt von 1743 (Riggisberg, BE). Das Bärenvorkommen war nunmehr auf den Jura und die Alpen beschränkt. Auf der Alpennordseite wurde 1848 letztmals ein Bär am Lac de Taney (VS) gemeldet. Das Verschwinden in tieferen Lagen dürfte unter anderem damit zusammenhängen, dass die dortige Bevölkerung besser bewaffnet und die menschliche Besiedlung dichter war, während das unwegsame und vom Menschen seltener genutzte Gelände der Alpen und des Juras den Tieren besseren Schutz bot. Eigentliche Bärenjagden und Abschussprämien durch die Gemeinden beschleunigten die Ausrottung zusätzlich. Die historischen Aufzeichnungen zeigten, dass diese Prämien zur Bekämpfung des Bären als schadstiftendes Raubtier und nicht als für den Menschen gefährliches Tier dienten.
Die Bärenjagd Die Bärenjagd
© Schweizerisches Landesarchiv
Geschichte des Bären im Jura und den Alpen
Im Jura und in den westlichen Zentralalpen (Wallis) hielt sich der Braunbär etwas länger. Letzte Nachweise stammen aus dem Kanton Neuenburg aus dem Jahr 1861 (Creux du Van) sowie 1870 im Val d’Anniviers (VS). Ab diesem Zeitpunkt war sein Vorkommen auf die südöstlichen Landesteile beschränkt – vor allem auf das Engadin und die Alpensüdseite (Bündner Südtäler und östliches Tessin). Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten die Bärenabschüsse in den östlichen Zentralalpen ihren Höhepunkt. So wurden in Graubünden zwischen 1840 und 1880 mindestens 136 Bären getötet. Diese Region bot mit ihren Höhenlagen und der höchsten Waldgrenze der Schweiz zwar durchaus geeignete Lebensbedingungen für Bären, jedoch war ein langfristiges Überleben dort kaum möglich.
Bärenjäger Bärenjäger
© Archiv Naturhistorisches Museum Bern
Ein Grund war die unkontrollierte Jagd mit immer besseren Waffen, welche es den Jägern ermöglichte, Bären auch in unzugänglichen Bergregionen zu verfolgen. In den östlichen und südlichen Alpen wurde zwar ein leichter Anstieg der Sichtungen in höheren Lagen festgestellt, eine echte Zunahme war jedoch nicht zu verzeichnen. Der letzte Abschuss eines Braunbären in der Schweiz ereignete sich am 1. September 1904 im bünderischen Val S-charl, als zwei Gemsjäger eine 116 kg schwere Bärin erlegten.
Der letzte Bär Der letzte Bär
© Foto Rauch
Letzte Nachweise von Braunbären nach Region
Letzte Nachweise von Braunbären nach Region (KORA 2005)
| Biografische Grossregionen | allgemeiner Nachweis | Abschuss | Jungtiere |
| Jura | 1864 | 1855 | 1859 |
| Mittelland | 1743 | 1743 | 1734 |
| Alpennordflanke | 1848 | 1848 | 1804 |
| Zentralalpen West | 1870 | 1865 | 1836 |
| Zentralalpen Ost | 1923 | 1904 | 1919 |
| Alpensüdflanke | 1910 | 1903 | 1910 |
Die Rückkehr des Bären in die Schweiz
101 Jahre später, am 28. Juli 2005, kehrte der Braunbär wieder in die Schweiz zurück. Ein Student konnte einen Bären während seiner Feldarbeit im Gebiet des Schweizerischen Nationalparks zufällig fotografieren. Dass Bären in der Schweiz wieder auftauchten, verdanken wir einem Projekt zur Bestandsstützung in Italien und verschiedenen Pionieren. Unter anderen, befasste sich der bekannte Schweizer Bärenforscher Hans-Ulrich Roth in den 1980er Jahren intensiv mit dem Alpenbären im italienischen Trentino und bemühte sich um die Rettung der Art.
Verbreitung 2005–November 2025
© KORA
Ende der 1990er Jahre nahmen die Schutzbemühungen schliesslich konkrete Formen an und Italien stützte ihre kleine Restpopulation im Trentino zwischen 1999 und 2002 mit 10 Bären aus Slowenien. Damit war klar, dass früher oder später auch wieder Bären in der Schweiz auftauchen. Dass dies dann aber bereits 2005 für der Fall war, überraschte wohl auch einige Expertinnen und Experten. Das 2004 abgeschlossene Projekt «Life Ursus» war durchaus erfolgreich: Im Jahr 2024 lebten gut 100 Bären im Trentino. Seit 2005 gab es fast jährlich Bären, welche die Schweiz für eine mehr oder weniger kurze Zeit besuchen. Wie aufgrund des Ausbreitungsverhaltens des Braunbären zu erwarten, waren bisher – soweit durch genetische Untersuchungen analysiert – nur junge Männchen in der Schweiz. Verschiedene Studien belegen einen deutlichen, geschlechtsspezifischen Unterschied im Abwanderungsverhalten. So wandern die Männchen früher und weiter ab, während die Weibchen mehrheitlich im Geburtsstreifgebiet verbleiben oder allenfalls nur kurze Abwanderungsdistanzen zurücklegen.
Die bemerkenswerte Geschichte von M29
M29 wurde im Jahr 2017 erstmals in der Schweiz genetisch identifiziert. Ein Abgleich der DNA mit den Daten aus Italien ergab, dass dieser Bär 2013 im Naturpark Adamello Brenta – als Sohn von F09 und MJ5 – geboren wurde. Im September 2014 wurde er im nördlichen Teil der Provinz Brescia in Italien erstmals genetisch identifiziert und bekam das Kürzel M29: M steht für sein Geschlecht, die Zahl entspricht einer fortlaufenden Nummerierung der genetisch identifizierten Individuen eines Geschlechts. Mit grosser Wahrscheinlichkeit überquerte M29 bereits Ende April 2016 die Schweizer Grenze in der Region des Splügenpasses und wurde dabei auf rund 2900 Meter über Meer von einem Berggänger fotografiert. Über die Surselva kam er in die Innerschweiz und danach in das Berner Oberland, bevor er die Schweiz 2019 über das Wallis wieder verliess. Seither lebt er als Einzelgänger westlich des Lago Maggiore in Italien. Seit den ersten Bärenbesuchen in der Neuzeit, war M29 der bisher einzige Bär, der sich in der Schweiz auch ausserhalb des Kantons Graubünden aufgehalten hat. Während seiner gesamten Anwesenheit verhielt er sich sehr diskret und scheu und es gab entsprechend wenige Beobachtungen und kaum Schäden. Allerdings gab es einige spektakuläre Sichtungen, als er beispielsweise auf dem Sustenhorn oder am Walcherengrat oberhalb des Aletschgletschers beobachtet wurde.
Mehr Details zu seinem Streifzug durch die Schweiz erfährst du, indem du auf die einzelnen Punkte auf der Karte klickst.
JJ3 - der erste sendermarkierte Bär
Im Sommer 2007 wanderte der eineinhalbjährige männliche Jungbär JJ3 in die Schweiz ein, nachdem er sich die Wochen davor im Südtirol aufgehalten hatte. Den Namen hat er seinen Eltern zu verdanken: Er war der dritte Nachkomme von Jurka und Joze. Er zeigte von Beginn an wenig Scheu und bald gab es erste Risse von Nutztieren. Am 12. August des gleichen Jahres gelang es der Wildhut des Kantons Graubünden, ihn zu fangen und mit einem GPS-Halsband auszurüsten. Damit liessen sich seine Wanderungen genauer verfolgen. Bevor er sich in die Winterruhe begab, fanden verschiedene Vergrämungsaktionen durch die Wildhüter statt, um ihn von Siedlungen und Nutztieren fernzuhalten. Im Frühjahr tauchte er aber bald wieder in Siedlungen auf, und es zeigte sich, dass sich JJ3 nicht so einfach umerziehen liess. Obwohl sich JJ3 nie aggressiv verhielt, blieb aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr für Menschen schliesslich keine andere Möglichkeit, als ihn zu erlegen.
Am 14. April 2008 wurde er in der Nähe des Galspasses geschossen. Sein unerwünschtes Verhalten hatte er bereits früh von seiner Mutter Jurka gelernt. Diese war eine der Bärinnen, die im Jahr 2001 im Zuge des EU-Life Projektes «Life Ursus» von Slowenien ins italienische Trentino zur Auffrischung der dortigen Bärenpopulation gebracht worden war. Sie wurde aber vermutlich bereits in Slowenien von Menschen angefüttert, wodurch ihre Scheu nachliess. Später gab sie dieses Verhalten später an ihre Jungen weiter. So wurden JJ1 (Bruno) in Deutschland und JJ3 in der Schweiz aufgrund ihres auffälligen Verhaltens erlegt. JJ2 (Lumpaz) – der erste «Schweizer Bär» – wurde vermutlich in Italien gewildert. Jurka wurde 2007 in Italien gefangen und lebt seit 2010 in einen Bärenpark im Schwarzwald. Ihre Tochter JJ4 wurde 2023 ebenfalls gefangen und lebt im gleichen Bärenpark wie ihre Mutter, nachdem sie Anfang April 2023 im Trentino einen Jogger getötet hatte .
Unsere Berichte zum Thema Bär
Zajec P., Zimmermann F., Roth H.U. & Breitenmoser U. 2005. Die Rückkehr des Bären in die Schweiz – Potentielle Verbreitung, Einwanderungsrouten und mögliche Konflikte. KORA Bericht Nr. 28, 31 pp.
Capt S., Lüps P., Nigg H. & Fivaz F. 2005. Relikt oder geordneter Rückzug ins Réduit – Fakten zur Ausrottungsgeschichte des Braunbären Ursus arctos in der Schweiz. KORA Bericht Nr. 24, 30 pp.
Weiteres
- Die Grafiken wurden mit Hilfe von Daten der Jagdverwaltungen folgender Kantone erstellt: GR, VS, UR, SZ, NW, OW, BE.
- Für die Grafik von M29 wurden einzelne aussagekräftige Punkte ausgewählt.
- Die genetischen Analysen wurden vom Laboratoire de biologie de la conservation (LBC) der Universität Lausanne durchgeführt.
- Der Auftrag für das Monitoring des Bären in der Schweiz hat KORA vom Bundesamt für Umwlet (BAFU)

