Aktuelle Bärenverbreitung in Europa
Heute gibt es in den meisten Regionen Europas wieder mehr Braunbären als im letzten Jahrhundert. Insgesamt unterscheidet man zehn verschiedene Populationen. Während die Populationen in Zentral- und Westeuropa alle sehr klein und isoliert sind, gibt es vor allem im Osten und im Norden noch grössere Bestände. Die grösste Population lebt in den Karpaten.
Bären in Kontinentaleuropa
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Braunbär in vielen Regionen Europas auf einem Tiefstand oder bereits ausgerottet. In den Alpen überlebte lediglich ein kleiner Restbestand in der Provinz Trento in Italien. Nach diesem Tiefstand gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt Schutzbemühungen und sogar Wiederansiedlungsprojekte. Die Bären, die gelegentlich in die Schweiz einwandern, stammen aus der Population im Trentino. Für das Fortbestehen einer Bärenpopulation in den Alpen, ist eine Verbindung zwischen der Population im Trentino und jener in den Dinariden von zentraler Bedeutung!
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Erfahrungsbericht aus dem Trentino, Italien
Das Trentino in den italienischen Zentralalpen beherbergt eine genetisch isolierte Population von Braunbären (Ursus arctos), rund 200 km von der nächsten Population entfernt. Nachdem diese in den 1990er-Jahren mit nur noch zwei bis drei Individuen als funktional ausgestorben galt, wurde zwischen 1997 und 2004 ein Wiederansiedlungsprojekt durchgeführt. Dabei wurden zehn Bären (drei Männchen, sieben Weibchen) aus Slowenien ins Trentino gebracht. Ziel war es, eine minimal lebensfähige Population von mindestens 40 bis 60 Tieren zu etablieren – in der Hoffnung, dass sich langfristig eine Metapopulation entwickelt, die sich genetisch mit der Population im Dinarischen Gebirge (Balkan) vermischt.
Ein gemeinsamer Aktionsplan, das «Piano d’Azione interregionale per la Conservazione dell’Orso bruno nelle Alpi centro-orientali (Pacobace»), wurde erarbeitet und 2008 von den italienischen Alpenregionen verabschiedet. Er enthält Leitlinien für wirksame Schutz- und Managementmassnahmen, etwa zur Bestandsüberwachung, zum Umgang mit Schäden und Problembären, zur Kommunikation, zur Schulung von Fachpersonal sowie zur Vernetzung.
Die Bärenpopulation im Trentino wurde 2023 auf 98 Individuen geschätzt (95 % CI: 86–120), ohne die Jungtiere des Jahres. Zwischen 2015 und 2023 nahm sie im Durchschnitt jährlich um 11 % zu. Parallel zu diesem positiven Wachstumstrend stiegen jedoch auch die Konflikte mit Menschen, sowohl durch Sachschäden als auch durch Angriffe. Zwischen 2014 und 2024 ereigneten sich bei einer mittleren Populationsgrösse von 67 Tieren und einer Bevölkerungsdichte von 88 Einwohnern pro Quadratkilometer neun Angriffe auf Menschen durch sieben verschiedene Bären, darunter ein tödlicher Vorfall im Jahr 2023. Besonders dieses Ereignis löste eine bereits länger schwelende und zunehmend hitzige Debatte über das Bärenmanagement aus.
Seit 2002 setzt die Autonome Provinz Trient systematisch Massnahmen ein, um negative Folgen von Begegnungen zwischen Menschen und Bären zu verringern. Dazu zählen staatlich finanzierte Informationsprogramme, die seit 2009 bärensichere Anpassung der Bioabfallentsorgung, Diskussionsrunden in den Gemeinden (2011), das Anbringen von Hinweisschildern sowie der Einsatz von Bärenhunden, die mit GPS-Sendern ausgestattete Bären vertreiben sollen, wenn sie sich Menschen nähern. Dennoch zeigen repräsentative Umfragen der Provinzregierung (1997, 2003, 2011 und 2024) eine deutliche und kontinuierliche Abnahme der öffentlichen Unterstützung für die Bären.
Diese negative Haltung der Bevölkerung scheint insbesondere damit zusammenzuhängen, dass die Tötung von Problembären wiederholt durch gerichtliche Aussetzungen oder Aufhebungen gestoppt bzw. verzögert wurde, nachdem Tierrechtsorganisationen Beschwerde eingereicht hatten.
Es ist unerlässlich, die neuen Herausforderungen mit allen verfügbaren Mitteln und Methoden anzugehen – unter Einhaltung höchster Standards hinsichtlich Genauigkeit und Professionalität. Dazu gehört, wo erforderlich, auch die Tötung von Bären, um die öffentliche Sicherheit und die notwendige Akzeptanz für das langfristige Überleben der Population zu sichern.
Autor: Claudio Groff, Mitglied des «European Brown Bear Expert Team» und des «Human–Bear Conflicts Expert Team», IUCN SSC Bear Specialist Group, Autonome Provinz Trient
Erfahrungsbericht aus Österreich
Die österreichische Bärenpopulation wurde bereits im 19. Jahrhundert ausgerottet. Ab den 1950er Jahren erreichten Bären aus der wieder erstarkenden Population in Slowenien den Süden Österreichs und einzelne Individuen wurden bald regelmässig in Kärnten beobachtet. Eine ähnliche Entwicklung ist seit 2005 im Westen Österreichs zu beobachten, wo vermehrt abwandernde Bären aus der sich im Aufbau befindlichen Bärenpopulation im Trentino beobachtet werden.
1972 ist ein Bär aus Slowenien weit nach Norden bis in die Steirisch-Niederösterreichischen Kalkalpen vorgedrungen und hat sich im Ötschergebiet niedergelassen. 1989–1993 wurden im Streifgebiet des «Ötscherbären» im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts des WWF Österreich drei Bären (2 W, 1 M) aus Slowenien/Kroatien freigelassen. Weitere Freilassungen wurden nach dem Auftreten zweier problematischer Individuen nicht mehr vorgenommen. Trotz anfänglich guter Reproduktion – bis 2006 wurden 31 Junge geboren – ist die kleine Population 2011 wieder erloschen.
Die Ursachen dafür wurden nicht restlos geklärt, aber illegale Abschüsse haben vermutlich eine entscheidende Rolle gespielt.
Der aktuelle Bärenbestand in Österreich umfasst nur wenige Individuen. In den letzten 10 Jahren wurden in Österreich pro Jahr 3–7 Bären genetisch nachgewiesen, viele davon halten sich in Grenzregionen zu Nachbarstaaten auf. Schwerpunkt der Verbreitung sind Kärnten und Tirol, vereinzelt traten in den letzten Jahren Bären auch in Vorarlberg, Salzburg und der Steiermark auf. Alle bisher genetisch erfassten Zuwanderer waren Männchen. Reproduktion konnte, ausser im Wiederansiedlungsgebiet, keine bestätigt werden. Meist bleiben die Bären auf Wanderschaft nicht lange und werden nur in einem oder zwei aufeinanderfolgenden Jahren in Österreich nachgewiesen. Einzelne Zuwanderer etablieren jedoch ein Streifgebiet und verweilen länger. Ein besonderer Fall ist der Bär mit der Nummerierung Ktn-03, dessen DNA schon viele Jahre in Proben aus den Karnischen Alpen festgestellt wird (auf österreichischer Seite das erste Mal 2008).
Die zukünftige Entwicklung ist schwer abzuschätzen. Überraschend ist, dass trotz der markanten Zunahme des slowenischen Bärenbestands in den letzten 30 Jahren das Bärenaufkommen in Kärnten keine Steigerung erfahren hat. Solange sich die Kerngebiete der beiden Quellpopulationen nicht in Richtung Österreich ausbreiten und Weibchen den männlichen Pionieren folgen, wird sich die Situation in Österreich nicht wesentlich ändern.
Autor: Georg Rauer, ehemaliger Bären- und Wolfsbeauftragter für die Länderübergreifende Koordinierungsstelle Braunbär, Luchs und Wolf

