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Herdenschutzmassnahmen im Praxistest

Im Rahmen des Projekts «Wolves and Cattle» werden neue Herdenschutzmassnahmen für Rinder entwickelt und getestet. Ziel ist es, wirksame und praxisnahe Lösungen zu finden, die sowohl den Schutz der Rinder als auch die Umsetzbarkeit für Landwirtschaftsbetriebe gewährleisten.

Im Fokus der bisherigen Untersuchungen steht ein in der Schweiz neuartiges Zaunsystem – der Turbo Fladry. Es besteht aus einer elektrifizierten Litze, die in regelmässigen Abständen mit beweglichen, visuell auffälligen Textilstreifen versehen ist. Diese Methode der visuellen Abschreckung wurde bereits im Mittelalter bei der Wolfsjagd eingesetzt (damals noch ohne Elektrifizierung) und ist heute in Amerika sowie in einigen europäischen Ländern als Herdenschutzmassnahme für Rinder bekannt.

Erste Ergebnisse

Die Tests mit Turbo Fladry-Zäunen im Kanton Waadt in den Sommern 2023 und 2024 haben gezeigt, dass sich diese Schutzmassnahme sowohl bei 1- bis 4-Litzen-Zäunen als auch bei Flexi-Netzen problemlos installieren lässt. Entscheidend für die Wirksamkeit sind eine konstante Stromspannung von mindestens 4'000 Volt, ein solider Aufbau mit ausreichend Zaunpfosten sowie eine gut gespannte Litze in einer Höhe von ca. 40 bis 55 cm. Zudem ist es – falls nötig – wichtig, die Vegetation zu mähen. Damit die Stromspannung, der Unterhalt und die regelmässige Kontrolle entlang der gesamten Zaunlänge gewährleistet bleiben, sollte eine maximale Länge von 800 m nicht überschritten werden. Turbo Fladry eignet sich zudem gut als Notfallmassnahme, um Nachtweiden und Nachtpferche zusätzlich zu schützen.

Fotofallen-Videos belegen, dass Rinder die Zäune respektieren, ohne Angstreaktionen zu zeigen. Gleichzeitig zeigen die Aufnahmen, dass Wildtiere wie Füchse und Rehe die Barrieren wiederholt problemlos überwinden. In beiden Jahren wurde auf keiner der mit Turbo Fladry gesicherten Weideflächen ein Wolfsangriff registriert – obwohl an einigen dieser Standorte zuvor Risse verzeichnet worden waren oder Wolfsangriffe in der unmittelbaren Umgebung im gleichen Zeitraum stattfanden.

Die Wahl des optimalen Materials, insbesondere der Textilbänder, bleibt eine Herausforderung. Faktoren wie UV-Beständigkeit, das Risiko des Verhedderns mit bestehenden Zaunelementen – insbesondere bei Wind – sowie das Gewicht spielen eine zentrale Rolle für die Effektivität und Praktikabilität.

Um eine rasche Gewöhnung der Wölfe an diese Schutzmassnahme möglichst gering zu halten, wurde die Einsatzdauer der Turbo Fladry auf derselben Weidefläche auf 6 Wochen begrenzt. Landwirtschaftliche Betriebe bewerten das System grundsätzlich positiv. Viele wünschen sich jedoch eine längere Einsatzdauer damit sich der Aufwand lohnt sowie eine kostengünstigere Lösung, wenn die Fladry ab 2026 nicht mehr kostenlos über das Projekt zur Verfügung stehen.

Weiterentwicklung und nächste Schritte

Das Projektteam arbeitet daran, die Turbo Fladry weiter zu optimieren. So werden im Bereich der Fladries widerstandsfähigere Flatterbänder erprobt. Zudem ist ein Merkblatt zu den Eigenschaften und der praktischen Anwendung der Turbo Fladry in Arbeit, das im Frühjahr 2025 publiziert werden soll.

Weiter wird eine Umfrage unter den Tierhaltenden vorbereitet und im Jahr 2025 durchgeführt. Eines der Ziele ist es, die Schweizer Landwirte und Landwirtinnen bei der Umsetzung von Herdenschutzmassnahmen besser zu unterstützen. Dazu soll ermittelt werden, wo in der bisherigen Praxis die Stärken und Schwächen lagen und wie die Herdenschutzmassnahmen unter verschiedenen betrieblichen Voraussetzungen umgesetzt wurden. Zudem sollen die Ergebnisse zeigen, wo die Landwirte und Landwirtinnen aktuell stehen und was ihre Bedürfnisse sind für die Zukunft – insbesondere in technischer und finanzieller Hinsicht.

Ein verstärkter Austausch mit landwirtschaftlichen Betrieben und weiteren Fachkräften soll zudem die breite Akzeptanz und Anwendung der Massnahmen fördern. Weitere Projektschritte befinden sich noch in Abklärung.

Projektpartner

Dieser Projektteil ist Teil des Projekts «Wolves and Cattle» und wird von einem Projektpartner, der landwirtschaftlichen Beratungszentrale AGRIDEA, konzipiert und durchgeführt.