Logo

Luchs auf Wanderung

Der KORA-Bericht Nr. 118 ist da. Dieser beschäftigt sich mit der Schätzung der Anzahl Luchse im Gebiet «Jura Süd», genauer in den Kantonen Neuenburg und Waadt vom Genfersee bis fast nach Neuenburg. Die Wanderung des Luchses B866 sticht daraus besonders hervor.  

Die aussergewöhnliche Wanderung
Bei B866 handelt es sich um ein im Jahr 2020 erstmals in der Schweiz nachgewiesenes Luchsmännchen. Auf dem ersten von ihm aufgenommenen Fotofallenbild ist bereits ein subadultes oder adultes Tier zu sehen. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass B866 heute mindestens vier Jahre alt ist. Seitdem wurde er an verschiedenen Orten in den Kantonen Freiburg und Waadt nachgewiesen. Generell haben Luchse, insbesondere die Weibchen, ein eher konservatives Ausbreitungsmuster und es fällt ihnen schwer, Lebensraumbarrieren zu überwinden. Dennoch können sich einige Luchse, insbesondere Männchen, sogenannte Kuder, in andere Populationen ausbreiten, was aus Sicht der genetischen Vielfalt wichtig ist, aber ein eher seltenes Ereignis darstellt. Die Abwanderungsdistanzen betragen in der Schweiz laut Fotofallen-Bildern zwischen 16 und 75 km (siehe «50 Jahre Luchs in der Schweiz»). Die Gefahren auf den Wanderungen sind gross, so kommen rund die Hälfte der abwandernden Luchse ums Leben. Meist ist der Strassenverkehr oder eine Krankheit die Ursache.
 


Der letzte Nachweis von B866 stammt aus der Nähe der Gemeinde Romainmôtier-Envy im Kanton Waadt (15). Der aus der Alpenpopulation stammende B866 wagt sich ins Gebiet der Jura-Population. Eine Vermischung der Populationen ist aus Sicht der genetischen Diversität wünschenswert.

B866 ist erstmals im Winter 2020/2021 im Zuge des deterministischen Monitorings im Kanton Freiburg im Referenzgebiet Simme-Saane nachgewiesen worden (siehe Karte Punkte 0 und 1). Ein Jahr später, im Winter 2021/2022, tauchte er auf Fotofallen des KORA-Wildkatzen-Projekts im Naturpark «Jorat» im Kanton Waadt auf (7, 8, 9). Nur einige Monate später wies ihn ein Wildhüter im freiburgischen Vuadens (12) nach. Die aktuellsten Fotos zeigen ihn wiederum Anfang dieses Jahres im Waadtländer Jura (13, 14, 15). Somit hat B866 bis heute eine erstaunliche Wanderung über mehrere Jahre mit einer Distanz von rund 128 km ((Distanzen zwischen den einzelnen Bildern addiert) unternommen. Dabei muss er mehrfach die Autobahnen A1 und A12 überquert haben. Eventuell hat er dabei eine Grünbrücke (bei Oulens) oder das Viadukt (A12) benutzt. Es wird sich zeigen, ob er sich nun langfristig im Jura ansiedeln und ein Territorium besetzen kann. Es ist nicht bekannt, ob er sich während seiner bisherigen Reise fortgepflanzt hat.


Luchse (auf dem Foto B866) sind individuell anhand von Fotofallenbildern an ihrer Fellzeichnung zu erkennen. Um eine sichere Identifikation eines Luchses zu ermöglichen, werden im deterministischen Monitoring pro Standort immer zwei Fotofallen aufgestellt, so dass der Luchs möglichst von beiden Seiten gleichzeitig abgelichtet wird. © KORA

Untersuchungsbericht Referenzgebiet Jura Süd
Die Wanderung von B866 ist im neuen KORA-Bericht Nr. 118 dokumentiert. Dort wird über das deterministische Fotofallen-Monitoring im Untersuchungsgebiet Jura Süd im Winter 2022/2023 berichtet. Während 60 Nächten wurden 119 Ereignisse aufgenommen und dabei 25 eigenständige Luchse an 45 Standorten identifiziert. Im Bericht wurde eine Dichteschätzung von 3,61 Luchsen pro 100km2 geeignetem Luchshabitat berechnet. Damit reiht sich das Referenzgebiet im schweizweiten Vergleich im oberen Mittelfeld ein.
 

Zum KORA-Bericht Nr. 118 (auf Französisch)