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«Quo vadis Lynx?» – Konferenz und Workshop

Vom 10. bis 12. Mai trafen sich rund 60 Expertinnen und Experten aus Kontinentaleuropa im deutschen Wöltingerode, um eine Konferenz abzuhalten und in einem Workshop die Konzepte und die Zusammenarbeit zum Schutz des Karpatenluchses in West- und Mitteleuropa zu diskutieren. Der Karpatenluchs war ursprünglich auf die Karpaten beschränkt. Wiederansiedlungsprojekte haben diese Unterart des Eurasischen Luchses genutzt, um das ehemalige Verbreitungsgebiet des Luchses wiederherzustellen. Eine breite Zusammenarbeit zwischen allen west- und mitteleuropäischen Ländern ist erforderlich, um das langfristige Überleben der Metapopulation des Karpatenluchses zu sichern.

Der Workshop

Im Anschluss an die Konferenz «Quo vadis lynx?» fand ein Workshop mit dem Titel «Expert Workshop on the Conservation of the Carpathian Lynx in West and Central Europe» statt, der anlässlich des Jubiläums der Wiederansiedlung des Luchses im Harz veranstaltet wurde. Der Workshop war eine Folgeveranstaltung der Bonner Konferenz im Jahr 2019, die damals zur Empfehlung Nr. 204 (2019) des Ständigen Ausschusses der Berner Konvention geführt hatte. Diese Empfehlung befasste sich mit einer Reihe von Herausforderungen im Hinblick auf die Erhaltung der autochthonen Population in den Karpaten und die Erholung des Luchses in den Gebieten West- und Mitteleuropas, in denen die Art in den vergangenen Jahrhunderten ausgestorben war. Der Workshop wurde vom Nationalpark Harz und der Alfred-Töpfer-Akademie für Naturschutz in Zusammenarbeit mit der IUCN Cat Specialist Group, der Stiftung KORA, dem Landesjagdverband Niedersachsen und der HIT Umwelt- und Naturschutz Stiftung unter der Schirmherrschaft der Berner Konvention organisiert.

Die Empfehlung

Die grösste Population des Karpatenluchses befindet sich in Rumänien, gefolgt von der Slowakei. Der Luchs ist auch in den ukrainischen Karpaten weit verbreitet, aber wahrscheinlich in sehr geringer Dichte, so dass die Vernetzung entlang der Karpatenkette fraglich ist. Die ukrainischen Kollegen waren zu der Tagung eingeladen, konnten aber wegen des Krieges nur per Videoverbindung teilnehmen. Weitere Nachbarländer beherbergen kleinere Populationen des Karpatenluchses. Der grenzüberschreitende und gebietsweite Schutz des Luchses in den Karpaten muss gestärkt und die Vernetzung der nationalen Populationen verbessert werden. Die Expertinnen und Experten empfehlen daher, mit allen Arealstaaten eine gemeinsame Erhaltungsstrategie zu entwickeln, die anschliessend durch nationale Aktionspläne umgesetzt werden kann.


Die Teilnehmer des Luchs-Workshops in Wöltingerode, Harz, hören die Online-Präsentation zur Situation des Karpatenluchses in der Ukraine. (© Ole Anders)

Karpatenluchs als Ausgangspopulation

Die Stärkung der Karpatenpopulation ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sie weiterhin als Ausgangspopulation für die Erholung der Populationen in den Gebirgsregionen West- und Mitteleuropas dienen soll. Der Karpatenluchs wurde mehr als 50 Jahre lang für Wiederansiedlungsprojekte in dieser Region genutzt. Aus genetischen und ökologischen Gründen empfehlen die Expertinnen und Experten im Workshop, diesen Ansatz fortzusetzen und eine grosse Metapopulation des Karpatenluchses in den Gebirgsregionen Kontinentaleuropas aufzubauen.
Alle in den letzten Jahrzehnten wieder angesiedelten Populationen sind immer noch isoliert. Viele von ihnen leiden unter zunehmender Inzucht als Folge von zu wenigen Gründerindividuen und der anhaltenden Isolation.

Die Forderung

Um das Überleben der wieder angesiedelten Populationen zu sichern und die Art im gesamten ausgewiesenen Verbreitungsgebiet in Kontinentaleuropa wieder herzustellen, sind weitere Wiederansiedlungsprojekte erforderlich. Zudem müssen die verbleibenden Populationen gestärkt werden, um den Verlust der genetischen Vielfalt zu verringern.

Waisenluchse und Zootiere als Quellen

Ein solcher Ansatz erfordert eine weitreichende Zusammenarbeit und Koordination, beispielsweise im Hinblick auf eine effektive und sinnvolle Verteilung der Luchse aus den verschiedenen Ursprungspopulationen. Neben der autochthonen Karpatenpopulation, die nicht in der Lage sein wird eine unbegrenzte Anzahl von Gründerindividuen zu liefern, wurden zwei weitere Quellen identifiziert: Verwaiste Luchse aus freilebenden Populationen und Karpatenluchse, die in zoologischen Einrichtungen speziell für den Zweck der Auswilderung gezüchtet werden. Verwaiste Luchse können rehabilitiert und für Umsiedlungen verwendet werden, aber nicht alle Waisen eignen sich für eine Auswilderung. Sie müssen eine Reihe von gesundheitlichen, genetischen und verhaltensmässigen Voraussetzungen erfüllen, um für Wiederansiedlungen oder Verstärkungen verwendet werden zu können. Die Workshopteilnehmenden haben daher eine Reihe von Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit Fragen der Beschaffung, der Genetik, der Gesundheit und des Verhaltens befassen und Best-Practice-Protokolle entwickeln, um die Ansätze und Konzepte, aber auch praktische Aspekte wie Transport und Quarantäne, zu standardisieren.

Akzeptanz und Konsens als Voraussetzung

All dies sind technische Aspekte eines Wiederansiedlungsprogramms. Bevor ein solches Projekt jedoch in Angriff genommen werden kann, muss ein gesellschaftlicher und politischer Konsens erreicht werden, um den Weg für die Rückkehr des Luchses zu ebnen. Im Workshop befassten sich daher spezielle Arbeitsgruppen mit der Frage, wie man am besten mit Behörden und Entscheidungstragenden bzw. mit der lokalen Bevölkerung und den wichtigsten Interessengruppen in Kontakt treten kann.

Die Arbeitsgruppe Karpatenluchs unterhält nun sechs Gruppen für die weitere Diskussion, und zwar zu den Themen Beschaffung, Genetik, Gesundheit, Monitoring, Politik und Einbezug der Interessengruppen. Alle diese Gruppen entwickeln spezifische Protokolle, die dann in umfassende Leitlinien integriert werden, die der internationalen Gemeinschaft und allen Ländern im Verbreitungsgebiet des Karpatenluchses vorgelegt werden sollen.