Logo

«Toxoplasma gondii» – ein Parasit, der das Verhalten steuern kann

Sind Schweizer Wölfe vom Parasit «Toxoplasma gondii» betroffen? Diese Frage wurde anhand einer Analyse von Blut- und Gewebeproben untersucht.

Ein Parasit verursacht eine Verhaltensänderung
Der Parasit Toxoplasma gondii hat sich im Verlauf der Evolution einige Tricks für sein Überleben angeeignet. Der wohl beeindruckendste von allen ist die Fähigkeit, das Verhalten seiner Wirte zu modulieren, wie es zum Beispiel bei Ratten und Mäusen beobachtet wurde. Nachdem eine Studie in den USA gezeigt hatte, dass er potenziell zu Verhaltensveränderungen bei Wölfen im Yellowstone Nationalpark (USA) beigetragen hat, interessierte uns, wie es in diesem Zusammenhang um die Schweizer Wolfspopulation steht. Der Tierarzt Patrick Scherrer untersuchte im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Fisch- und Wildtiergesundheit der Universität Bern (FIWI) und am Institut für Parasitologie der Universität Bern (IPA) das Vorkommen des Parasits bei Luchs und Biber in der Schweiz. Während seiner darauffolgenden Zeit als Zivildienstleistender bei der Stiftung KORA konnten Untersuchungen zum Wolf im Rahmen des Projekts «Integriertes Monitoring und Management» durchgeführt werden. Dies geschah ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit dem IPA und dem FIWI.

Schweizer Untersuchung
Dazu wurden Blutproben der letzten 22 Jahre durch Tierärzte und Tierärztinnen des FIWI gesammelt und anschliessend im Labor des IPA analysiert. 35 von 95 Wölfen (36.8%) wiesen spezifische Antikörper gegen Toxoplasma gondii auf. Zusätzlich wurden Gewebeproben dieser Wölfe auf Parasiten-DNA getestet, welche jedoch alle negativ waren. Die statistischen Auswertungen zeigen, dass adulte Tiere ein zunehmendes Risiko haben, Antikörper-positiv zu sein und die juvenilen Tiere weniger Kontakt zum Parasiten hatten.

Diese Ergebnisse stimmen mit dem überein, was auch in anderen Ländern beobachtet wurde. Die niedrige Prävalenz (Anzahl der Krankheitsfälle in definierten Gebiet und Zeit) überrascht jedoch, wenn man bedenkt, dass die Schweiz ein relativ kleines aber dicht besiedeltes Land ist und die Wölfe mit ihren grossen Territorien sehr leicht mit Katzen in Kontakt kommen könnten. Deshalb scheint es so, dass nicht immer Katzen für eine primären Infektion verantwortlich sind, sondern dass sich die Wölfe über die Beutetiere (Zwischenwirte, wie z.B. Rothirsch, Reh, Wildschwein oder Gämse) infiziert haben könnten.

Künftig ist geplant, mögliche Risikofaktoren für die Infektion der Wölfe ausfindig zu machen und zu untersuchen, ob risikobehaftetes Verhalten häufiger mit einer gleichzeitigen Infektion festgestellt wird.

Vergleich mit dem Luchs
Anders sieht es bei einem bekannten Wildfeliden in der Schweiz aus – dem Eurasischen Luchs. Dort konnte in einer Studie (Dissertation von Patrick Scherrer) gezeigt werden, dass 82% (150 von 183) der getesteten Luchse Antikörper aufwiesen. Wieso es diese deutlichen Unterschiede in den Prävalenzen der beiden Tierarten gibt, ist noch unklar und Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Der Parasit und seine Wirkung im Allgemeinen
Toxoplasma gondii ist ein einzelliger Parasit, der es in sich hat – die weltweite Verbreitung und die Möglichkeit praktisch alle warmblütigen Lebewesen (inkl. Mensch und Vogel) infizieren zu können, machen ihn zu einem der erfolgreichsten Parasiten überhaupt. Es wird geschätzt, dass circa ein Drittel der Menschheit damit infiziert ist. Eine wichtige Rolle bei der Übertragung nehmen Vertreter der Unterordnung Katzenartige ein, zu welchen auch die Katzen gehören. Sie sind die Endwirte des Parasiten und können in dieser Funktion Toxoplasma gondii im Kot ausscheiden und somit die Umwelt kontaminieren und andere Tiere infizieren. Ein weiterer häufiger Infektionsweg für Mensch und Tier ist der Verzehr von (halb)rohem Fleisch von Zwischenwirten, welches sogenannte Gewebezysten beinhaltet. Gefährlich wird der Parasit uns aber nur selten. Er kann beispielsweise grippeähnliche Beschwerden hervorrufen. Besonders gefährdet sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder schwangere Frauen bzw. ihre Föten. Dort kann die Entwicklung des Parasiten nicht unterdrückt werden und es kann zu Entzündungen in verschiedenen Organen, Blindheit oder Entwicklungsstörungen beim Fötus kommen. Ähnlich sieht es in der Tierwelt aus, wo eine Infektion bei gesunden Tieren in der Regel nicht bemerkt wird.