PORTRAIT WILDKATZE
MERKMALE
WILDKATZE (AUCH WALDKATZE GENANNT) (FELIS SILVESTRIS)
- Aussehen: Gelblich-graues Fell, oft mit braun-schwarzer, verwaschener Zeichnung, deutlich erkennbare 4-5 Nackenstreifen und je einen Schulterstreifen, Aalstrich auf dem Rücken, der am Schwanzansatz endet. Eher buschiger Schwanz (27–35 cm), klar erkennbare schwarze Ringe, stumpfes Ende mit schwarzer Endquaste.
- Grösse: Etwas grösser als Hauskatze, Kopfrumpflänge 43–65 cm.
- Gewicht: adulte Männchen bis 7 kg, Weibchen bis 5 kg.
- Lebenserwartung: bis zu 10 Jahren in freier Wildbahn.
STATUS UND GEFÄHRDUNG
GESETZLICHER STATUS:
- Jagdgesetz, JSG (SR 922.0): geschützt
- Berner Konvention: Anhang II (streng geschützte Tierart)
- EU Habitat Direktiven: Anhänge IV (streng geschützt)
- Washingtoner Artenschutzabkommen, CITES (FR, EN): Appendix II
- Schutz Status CH: potenziell gefährdet (Near Threatened); Art mit hoher nationaler Priorität
ROTE LISTE GEFÄHRDETER ARTEN:
- Global: nicht gefährdet (Least Concern)
Eine Gefahr für die Art stellt eventuell die omnipräsente Hauskatze dar. Diese stammt nicht von der Europäischen Wildkatze ab, sondern von der Falbkatze Felis libyca. Weite Verbreitung erlangte die Hauskatze in Mitteleuropa ab ca. 900 n. Chr. Heute gehört sie zu den beliebtesten und weitverbreitetsten Haustieren. Paarungen zwischen Haus- und Wildkatzen bringen fruchtbare Nachkommen hervor, die als „Hybriden“ bezeichnet werden. Hybridisierung kann zur Bedrohung werden für eine Art, die nur noch in einer kleinen Populationsgrösse und in fragmentierten Populationen vorkommt, indem sie zum genetischen Verschwinden der Art führen kann. Inwieweit diese Gefahr für die Europäische Wildkatze besteht, wird derzeit in verschiedenen Projekten erforscht. So wurden in Deutschland über die letzten Jahre in einer gross angelegten Studie mehrere Tausend Haarproben genetisch untersucht. Der Hybridisierungsgrad lag bei etwa 3%. In Schottland dagegen gilt die Wildkatze durch Hybridisierung mit der Hauskatze als genetisch weitgehend ausgestorben (Review of the conservation Status of the wildcat in Scotland). Welche Faktoren Hybridisierung begünstigen oder verhindern ist noch nicht ausreichend erforscht und ist auch eine Fragestellung des KORA-Wildkatzenprojekts.
Zusätzlich können Hauskatzen auch Krankheiten auf Wildkatzen übertragen. Des Weiteren wird die Wildkatze durch Habitatfragmentierung, Habitatdegradierung (Verlust vielfältiger und strukturreicher Lebensräume) und Verkehrsunfälle gefährdet.
RAUM- UND SOZIALSTRUKTUR
Wildkatzen leben bevorzugt in struktur- und deckungsreichen Gebieten wie Laubmischwäldern und Auenwäldern. Steht ausreichend Deckung und Beute zur Verfügung, z.B. durch eine Vielfalt an Kleinstrukturen, können Wildkatzen auch im Offenland ohne direkte Waldanbindung leben.
Wildkatzen leben solitär und standorttreu in Revieren von variierender Grösse, die von Ressourcen wie Nahrungsangebot, dem Vorhandensein von Ruheplätzen, aber auch von der Jahreszeit abhängt. Weibliche Wildkatzen haben im Allgemeinen ein deutlich kleineres Streifgebiet als männliche Wildkatzen. Im Durchschnitt wurden Werte von 2–5 km² für weibliche Wildkatzen und bis zu 12 km² für männliche Wildkatzen berechnet.
Die Reviere werden mit Duftmarken aus Harn markiert und so gegen diejenigen der Nachbartiere abgegrenzt. Während der Ranzzeit erreichen die Streifgebiete der Männchen ihre maximale Grösse. Am kleinsten sind die Aktionsräume der Weibchen während der Jungenaufzucht.
FORTPFLANZUNG
Die Ranzzeit der Wildkatzen fällt in die Monate Januar bis März. Die während dieser Zeit erhöhte Aktivität führt vor allem bei den Kudern zu starkem Gewichtsverlust. Wildkatzen haben einen Wurf pro Jahr. Nach einer Tragzeit von 68 Tagen kommen zwischen Ende März und Anfang Juni 1–6 (durchschnittlich 3–4) blinde, behaarte Junge zur Welt. Der Wurfplatz befindet sich an einem trockenen, geschützten Ort unter einem Wurzelstock, in einem hohlen Baum oder in einem leeren Fuchsbau. Für die Jungen sorgt ausschliesslich die Mutter. Junge Wildkatzen werden 3 bis 4 Monate lang gesäugt, nehmen aber bereits im Alter von einem Monat auch Fleisch auf von Beutetieren, die ihnen die Mutter zuträgt. Kurze Zeit später führt die Mutter die Jungen mit auf die Jagd. Nach rund 5–6 Monaten sind die Jungen selbständig und verlassen im Herbst die Mutter. Auf der Suche nach einem eigenen Revier verlieren viele Jungwildkatzen ihr Leben durch Verhungern oder den Strassenverkehr. Mit ungefähr 10 Monaten erreichen Wildkatzen die Geschlechtsreife. Schaffen sie es, ein eigenes Revier zu besetzen, so können sie sich bereits im zweiten Lebensjahr fortpflanzen.
NAHRUNG
Die Europäische Wildkatze jagt, je nach Verbreitungsgebiet, hauptsächlich Kleinsäuger und, falls vorhanden, Wildkaninchen. Gelegentlich erbeutete Vögel, Fische, Reptilien, Amphibien oder Insekten erweitern das Nahrungsspektrum regional oder saisonal. In der Schweiz sind 90% der erbeuteten Tiere Mäuse, vor allem Wühlmäuse. Als dämmerungsaktiver Lauerjäger ist die Wildkatze mit hervorragenden Sinnesorganen ausgestattet. Die scharfen, einziehbaren Krallen dienen zum Festhalten der Beutetiere. Getötet wird die Beute je nach Grösse durch den katzen-typischen Kehlbiss oder bei kleineren Beutetieren durch Zerbeissen des Schädels. Im Magen tot gefundener Wildkatzen fand man beträchtliche Nahrungsmengen: Bis zu 24 Beutetiere mit einem Gewicht von total 452 g.
GESCHICHTE IN DER SCHWEIZ
Die Wildkatze war einst im Mittelland und im Jura weitverbreitet. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie dort aber fast vollständig ausgerottet: Die Wildkatze «gehört (…) zu den schädlichsten Raubtieren unserer Heimat», und «die Jäger haben allen Grund, diesem unheimlichen Gast auf jede mögliche Art nachzustellen», lauten zwei Zitate aus der jagdlichen Literatur. Diese Einstellung der Wildkatze gegenüber führte zum Zusammenbruch der Population. Seit 1962 ist die Wildkatze in der Schweiz geschützt. Ob die Wildkatze in der Schweiz jemals ganz ausgerottet war, wird unbekannt bleiben. Es fanden auch Auswilderungen statt, allerdings nur mit wenigen Tieren. Vermutlich ist die Rückkehr der Wildkatze in die Schweiz eingewanderten Tieren aus dem französischen Jura zu verdanken, vor allem aus dem Sundgau und Burgund.
MENSCH UND WILDKATZE
Wildkatzen sind heimliche Waldbewohner und werden vom Menschen kaum wahrgenommen. Zu Konflikten mit Nutztieren kommt es kaum, ab und zu erbeutet eine Wildkatze ein Huhn. Die Wildkatze ist als einheimisches Wildtier seit 1962 geschützt und Jagd oder Fang sind strikt verboten.