Die Rückkehr der europäischen Wildkatze
Wir fassen hier die wichtigsten Erkenntnisse des Projekts «Die Rückkehr der Europäischen Wildkatze (Felis silvestris) – Förderung der Wiederbesiedlung und Überwachung der Populationsentwicklung in der Schweiz» zusammen, das vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2020 durchgeführt wurde.
VERBREITUNG UND AUSBREITUNG
Die Europäische Wildkatze galt in der Schweiz als praktisch ausgestorben, aber in den vergangenen drei Jahrzehnten eroberte sich die heimische Katzenart ihren ursprünglichen Lebensraum im Jura zurück und scheint mittlerweile sogar darüber hinaus Lebensraum zu finden.
Um die potenzielle Verbreitung der Wildkatze in der Schweiz zu beurteilen und ihre ökologischen Ansprüche besser zu verstehen, wurde im Rahmen einer Masterarbeit ein Habitat-Modell für die Wildkatze erstellt. Das Modell hat gezeigt, dass auch im Mittelland und in den Voralpen geeigneter Lebensraum für die Wildkatze vorhanden ist, und zwar auf grösserer Fläche als vermutet. Wir haben daraufhin in Gebieten mit geeignetem Lebensraum im Mittelland zwei Fotofallen-Erhebungen durchgeführt. Die Untersuchungsgebiete befinden sich im Bucheggberg (Solothurn/Bern) und zwischen Yverdon und Epalinges (Waadt). Im Bucheggberg hatte es vor dieser Erhebung nur anekdotisch Hinweise auf Wildkatzen gegeben, im Waadtländer Gebiet gab es wenige Nachweise von Wildkatzen. In beiden Erhebungen haben wir ein engmaschiges Fotofallennetz gewählt, um die Erfassungswahrscheinlichkeit zu optimieren. In beiden Gebieten konnte die Präsenz von Wildkatzen bestätigt werden. Im Bucheggberg sind zudem ausserordentlich viele Hauskatzen fotografiert wurden, und auch einige Katzen, die sich nicht eindeutig den Wild-und Hauskatzen zuordnen liessen. Dieses Phänomen ist aus den anderen Untersuchungsgebieten nicht bekannt.
TELEMETRIE AM UFER DES NEUENBURGERSEES
Mit sendermarkierten Wildkatzen am Ufer des Neuenburgersees konnten wir aufzeigen, wie Wildkatzen die Agrarlandschaft und die Schilfgürtel des Neuenburger Sees nutzen. Über die Nutzung der offenen Landschaft durch Wildkatzen war bisher noch wenig bekannt. Für diesen Teil des Projekts haben wir im Seeland am Ufer des Neuenburger Sees innerhalb von zwei Jahren (2018/2019) insgesamt 10 Wildkatzen mit GPS-UHF-Halsbändern markiert, um ihre Bewegungen in diesem eher aussergewöhnlichen Lebensraum genau verfolgen zu können. Wir haben in den Streifgebieten der mit Halsbandsendern markierten Wildkatzen detaillierte Feldkartierungen vorgenommen. Die Analysen haben gezeigt, dass Wildkatzen dort neben dem Uferwald auch den Schilfgürtel des Neuenburger Sees und die Agrarlandschaft des Seelands nutzen und sich dort sogar reproduzieren. Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, ob das Agrarland den Wildkatzen vorrangig als «Sekundär- oder Ausweichhabitat» dient, oder ob manche Wildkatzen diesen Lebensraum bevorzugt nutzen und welche Kulturen und Strukturen von Wildkatzen besonders gerne aufgesucht werden. Dies ist in Bezug auf die weitere Ausbreitung der Art eine wichtige Frage, da es ein ganz neues Bild auf die Lebensraumansprüche der Wildkatze wirft. In diesem Themenbereich wurde auch eine interessante Bachelorarbeit publiziert.
WEITERENTWICKLUNG DER MONITORING-METHODEN
Im Projekt Monitoring haben wir die Methodik für ein Fotofallen-Monitoring der Wildkatze im Jura entwickelt. Im Rahmen dieses Projekts haben wir ein zweites Referenzgebiet im Jura Süd mit der gleichen Methodik untersucht.
WILDKATZEN UND HAUSKATZEN
Ein weiterer Schwerpunkt dieses Projekts ist die Koexistenz von Wildkatzen und Hauskatzen in der dicht besiedelten Kulturlandschaft zu untersuchen. Die Hauskatze ist in dieser Landschaft weit häufiger als die Wildkatze. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich Haus- und Wildkatzen im Seeland räumlich und vor allem auch zeitlich weitestgehend ausweichen. Dies konnten wir im Rahmen einer Masterarbeit aufzeigen, in der wir elf Hauskatzen mit GPS-Trackern ausgerüstet haben. Diese Beobachtungen sind bedeutend zum Verständnis der Hybridisierung. Über die ethologischen Hintergründe von Hybridisierung zwischen Wildkatzen und Hauskatzen – vor allem wie und wann es überhaupt dazu kommt, dass sich eine Wildkatze und eine Hauskatze miteinander paaren – ist generell wenig bekannt. Allem Anschein nach passiert dies nicht beliebig, sonst wären die Populationen längst komplett miteinander vermischt. Untersuchungen in anderen Gebieten, wo gerade einwandernde Wildkatzen auf «verwilderte» Hauskatzen treffen, sollen nun zeigen, ob sich die vorläufige Folgerung, dass die Wildkatzen Hauskatzen verdrängen, bestätigen lassen.
Daraus haben sich eine Reihe von konkreten Folgefragen ergeben, denen wir 2021 im Anschlussprojekt «Erhaltung der Wildkatze (Felis silvestris) in der Schweiz und in Europa» nachgehen.
Projektinformation
Finanziert wurde das Projekt von einer privaten Stiftung, die Naturschutzthemen unterstützt, der Temperatio-Stiftung sowie dem Lotteriefonds des Kantons Solothurn.
Projektpartner:
- Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin, ITP Universität Bern (PD Dr. Marie-Pierre Ryser-Degiorgis und Team)
- Kantonale Behörden und Wildhüter
- Tierpraxis im Moos/Ins (Dr. Anna Geissbühler und Team)
- Stefan Suter (ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften)
- Senckenberg Forschungsinstitut, Abteilung Naturschutzgenetik (Dr. Carsten Nowak und Team)
Kontakt KORA: Dr. Lea Maronde