KOMMUNIKATIONSPROJEKT WOLF I
Wo Wölfe in der Schweiz nach langer Abwesenheit wieder auftreten und/oder sich anders verhalten als erwartet, kann in der Bevölkerung eine grosse Unsicherheit beobachtet werden. Diese kann sich in der Forderung nach strengeren Managementmassnahmen (Vergrämung oder Abschuss), nach verlässlicher Information zur Anwesenheit der Tiere, ihrem Verhalten, Streifgebiet usw., und nach praktischer Anleitung zum Umgang mit Wölfen äussern. Für die Behörden ist es eine grosse Herausforderung, innert kurzer Frist zuverlässig und objektiv informieren zu können bei einem Thema das gleichzeitig oftmals starke emotionale Reaktionen hervorruft.
Ziel(e)
Ziel war die Situation der zurückkehrenden Wölfe aus Kommunikationssicht zu analysieren und einen „Werkzeugkastens“ zu entwickeln, wie beim Auftreten von Wölfen und nach Mensch-Wolf-Begegnungen kommuniziert werden kann und welche Information zu welchem Zeitpunkt angebracht ist.
Methoden
Wir führten mit den zuständigen Kantonsbehörden, Wildhütern und Gemeindebehörden in sechs Kantonen Interviews durch, um ihre Erfahrungen mit Wölfen und insbesondere ihre Kommunikation zu Wölfen zu untersuchen. Wir analysierten auch vorhandene kantonale Kommunikationsmaterialien und überprüften relevante wissenschaftliche Literatur zum Thema.
Resultate und Publikationen
Das Projekt zeigte auf, dass sich die Kantone, welche gemäss Konzept Wolf Schweiz für die Kommunikation zuständig sind, wie auch die Gemeinden, welche de facto von der Bevölkerung ebenfalls um Informationen angefragt werden, stark unterscheiden in ihren Erfahrungen, ihrer Bereitschaft, Wolfssituationen zu kommunizieren und den Kommunikationsmassnahmen, die sie anwenden (z.B. Flyer, Pressemitteilungen, SMS-Dienst für Schafhalter, öffentliche Informationsveranstaltungen).
Hauptverantwortlich für die Kommunikation und Ansprechperson gegenüber der Öffentlichkeit (und somit auch der Medien) sind die Amtsleiter der kantonalen Jagdverwaltungen. Gegenüber der lokalen Bevölkerung hingegen sind die Wildhüter erste Kontaktperson bei der Anwesenheit von Wölfen und eminent wichtig als Schnittstelle zwischen den Ämtern und der Bevölkerung. Gleichzeitig haben sie aber eine schwierige Rolle zwischen dem Auftrag, das Gesetz durchzusetzen und den Ansprüchen aus der Bevölkerung, die an sie herangetragen werden. Die Gemeinden sind in der Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung z.T. relevanter als erwartet, dies hängt jedoch stark vom Interesse des/der Gemeinde-präsidenten/-präsidentin am Thema ab und wie sie ihre Rolle definieren. Viele haben während der Interviews den Wunsch nach mehr Informationen geäussert und wären bereit, mehr Kommunikationsaufgaben zu übernehmen, aber oftmals fehlt ihnen die Kompetenz und Kapazität. Nicht zuletzt beeinflusst die politische Situation in den Kantonen die Kommunikation bzw. die Möglichkeiten der zuständigen Ämter, zu kommunizieren sehr stark.
Vorbeugende „Aufklärung“ der Bevölkerung ist weitgehend unwirksam und erreicht nur einen kleinen Kreis Interessierter. In breiten Teilen der Bevölkerung wird das Bedürfnis nach Information zum Wolf erst geweckt, wenn „der Wolf“ in der Nähe ist und sie sich persönlich betroffen fühlen. Oftmals reagieren Leute verunsichert oder gar ängstlich auf die Anwesenheit des Wolfs. Für die kantonalen und kommunalen Behörden ergeben sich bei der Kommunikation daher einige Herausforderungen: Die Bevölkerung erwartet eine sofortige Reaktion, oftmals dauert es jedoch einige Zeit, bis die Faktenlage geklärt ist. Manchmal fehlt auch schlicht die Erfahrung, wie mit einer neuen Situation umzugehen ist. Um glaubwürdig zu sein, ist den Behörden jedoch wichtig, nur Fakten zu kommunizieren und offen darzulegen, welche Informationen bekannt sind. Dies wird dadurch erschwert, dass Akteure mit ausgesprochen Pro- oder Anti-Wolf Positionen ihre Interpretation der Ereignisse umgehend und über diverse Kanäle kundtun. Sie können es sich offensichtlich erlauben, Unsicherheiten betreffend der Faktenlage und allenfalls Falschinformationen in Kauf zu nehmen. Auch die Medien, die oftmals eher auf der Suche nach einer „Story“ sind, als dass sie sachliche Informationen nüchtern übernehmen, tragen das ihre dazu bei, dass mehrheitlich emotional und dadurch polarisierend über den Wolf berichtet wird. Dies macht es schwer, Fakten und konstruktiven Botschaften Gehör zu verschaffen.
Die Empfehlungen aus dem Kommunikationsprojekt Wolf waren, dass die Kantone Basisinformationen bereitstellen, bei neuen und/oder speziellen Ereignissen pro-aktiv(er) kommunizieren und unabhängig davon bei der Anwesenheit von Wölfen im Kanton regelmässig Bericht erstatten sollten. Dazu wurden Faktenblätter über die entsprechenden Kommunikationsmittel mit ihren Vor- und Nachteilen erstellt.
Stiftung KORA 2018. Wie den „Wolf” kommunizieren? Jahresbericht 2017, p. 17.
Stiftung KORA 2019. Wenn Fakten mit Emotionen kollidieren. Jahresbericht 2018, p. 11.
Von Arx M. & Imoberdorf I. 2019. Faktenblätter Kommunikationsmittel. Dokumentation zuhanden der kantonalen Behörden, 34 pp.
Stiftung KORA 2020. Kommunikation zum Wolf. Kapitel 4.5 in: 25 Jahre Wolf in der Schweiz – Eine Zwischenbilanz. KORA-Bericht Nr. 91, 80 pp.
von Arx M., Imoberdorf I. & Breitenmoser U. 2020. How to communicate wolf? Communication between the authorities and the population when wolves appear. In: „Encounters with Wolves. Dynamics and Futures“/Begegnungen mit Wölfen, Kleine Reihe des Sorbischen Instituts Bautzen, Band 32, pp. 124-136, Hose S. & Heyer M. (Hrsg.).
Projekt Information
Das Projekt wurde durch eine gemeinnützige Stiftung aus dem Fürstentum Liechtenstein und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) finanziell unterstützt. Die Jagdverwalter, Wildhüter und Gemeindebehörden, welche wir interviewen durften, waren ebenfalls eine grosse Unterstützung.
Projektdauer: 2016-2018
Untersuchungsgebiet: ganze Schweiz
Projektpartner: Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK), Universität Zürich
Kontakt KORA: Manuela von Arx