Besenderung Seit dem 30. Oktober ist eine Wölfin im südlichen Waadtländer...
Wolves and Cattle
Seit der Rückkehr der Wölfe in die Schweiz in den 1990er Jahren haben sich Schäden an Nutztieren, sowie Untersuchungen zu Interaktionen zwischen Wölfen und Nutztieren vor allem auf Schafe auf Sömmerungsalpen fokussiert. Seit ein paar Jahren, wurden aber in einigen Regionen vermehrt Angriffe auf Boviden (Rinder) und in einem geringeren Ausmass Equiden (Pferde und Esel) registriert. Die Kuhhaltung ist in der Schweiz nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell tief verankert. Ein konfliktarmes Zusammenleben von Kuhhaltenden mit dem Wolf ist darum essentiell für die Akzeptanz des Wolfes in der Schweiz. Bisher ist jedoch nur wenig bekannt zu den Faktoren, welche Angriffe auf Boviden und Equiden beeinflussen, wie Boviden/Equiden auf Wolfspräsenz reagieren und welche Massnahmen wirksam sind um Angriffe zu vermindern.
ZIEL(E)
Das übergeordnete Ziel dieses Projektes ist es, eine Wissensbasis für ein konfliktarmes Zusammenleben zwischen Boviden- /Equidenhaltern und Wölfen zu schaffen. Dazu werden wir Umstände untersuchen, welche Angriffe auf Boviden und Equiden begünstigen um mögliche Risikogebiete identifizieren zu können. Zusätzlich soll auch die Wirksamkeit von Herdenschutz, Vergrämungsmassnahmen und legalen Abschüssen getestet werden um herauszufinden, in welchen Situationen, welche Massnahmen am wirksamsten sind. Zudem werden wir mögliche Verhaltensänderungen bei Boviden und Equiden nach lokaler Wolfspräsenz untersuchen (z.B. erhöhte Schreckhaftigkeit oder Aggressivität). Ein wichtiges Ziel des Projektes ist es auch, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, um lokale Betroffene und andere wichtige Zielgruppen mit Informationen aus dem Projekt zu erreichen und einen sachlichen Austausch und die Umsetzung von Massnahmen zu ermöglichen.
METHODEN
Als erstes werden wir Erkenntnisse über Angriffe auf Boviden/Equiden und mögliche Schutz-/Vergrämungs-/Management-Massnahmen aus anderen Ländern zusammentragen. Um das Bewegungsverhalten der Wölfe in der Schweizer Kulturlandschaft besser zu verstehen, werden wir einerseits bereits vorhandene Telemetriedaten analysieren. Zusätzlich werden weitere Wölfe in den Projektregionen besendert.
Verschiedene Faktoren können Übergriffe auf Boviden/Equiden beeinflussen. Um zu untersuchen, welche Faktoren Indikatoren sind für ein hohes Risiko für Übergriffe auf Boviden/Equiden werden Daten zu allen von Wölfen verletzten und getöteten Boviden/Equiden zusammengetragen und analysiert. Wir werden einerseits verschiedene Parameter wie zum Beispiel Alter, soziale Organisation, Rudelstruktur der Wölfe aufnehmen. Andererseits dokumentieren wir auch Faktoren wie Alter, Rasse, Behornung, Gesundheitsstatus der Boviden/Equiden, vorgenommene Schutzmassnahmen, Herdenzusammensetzung der angegriffenen Boviden/Equiden. Wir werden dann den Einfluss dieser Faktoren auf das Risiko von Schäden analysieren und Umstände identifizieren, welche zu erhöhtem Risiko führen können. Über Verhaltensbeobachtungen von Equiden und Boviden werden wir untersuchen, ob sich deren Verhalten nach Annäherungsversuchen von Wölfen ändert. Zu diesem Zweck werden wir mit Unterstützung der Landwirte auch Boviden/Equiden mit GPS-Halsbändern ausstatten. Zusätzlich werden wir die Wirksamkeit von verschiedenen Massnahmen wie Herdenschutz, Vergrämung, und Wolfsmanagement analysieren. Dazu verwenden wir einerseits bestehende Daten, führen aber in Zusammenarbeit mit AGRIDEA auch Experimente durch um gezielte Massnahmen zu testen.
FaQ «Senderhalsband»
Wie funktioniert ein Wolf-GPS-Halsband im Projekt «Wolves and Cattle»?
Ein GPS-Sender ist an einem Halsband angebracht, das inklusive Sender maximal 3% des Körpergewichts des Tieres wiegt. Dieser nahm im Falle der Wölfin F186, die von März bis Juli 2024 am Sender war, alle vier Stunden eine Position auf. Geplant war, die Taktung während dreier Wochen im August, im Oktober und im Februar während der Nacht auf 1 Position pro Stunde zu erhöhen, für eine Untersuchung zur Nahrungswahl (=Prädationsstudie). Mit dieser Einstellung sollte im Normalfall eine Batterielebensdauer von einem Jahr gewährleistet werden. Innerhalb von vier Stunden konnte sich die Position der Wölfin stark verändern (maximal aufgezeichnete Entfernung innerhalb von vier Stunden: 9,3 km Luftlinie). Alle 16 Stunden versuchte das Halsband, die Daten an das System (und damit an KORA) zu übermitteln, was jedoch nicht jedes Mal gelang. Faktoren wie Topographie, Waldbedeckung oder Satellitenstandorte limitieren die Übermittlung der Daten. So kann es zu einer Verzögerung der Übermittlung von mehreren Tagen kommen.Die Halsbänder haben einen Drop-Off-Mechanismus, der das Halsband nach einer vorbestimmten Zeit automatisch öffnet. Dieser Mechanismus kann ausserdem bei Bedarf auch ferngesteuert ausgelöst werden. So stellen wir sicher, dass der Wolf das Halsband nur so lange trägt, wie es auch Daten liefert, oder dass wir es bei Bedarf öffnen können. Nach Möglichkeit orten wir das Halsband nach dem Abfallen und sammeln es ein – so auch geschehen nach dem Verlust des Halsbands der Wölfin F186.
Welche Analysen werden mit den Senderdaten gemacht? Für was eignen sich die Daten nicht?
Dank der Daten erfahren wir im Idealfall mehr über die Bewegungsmuster der Wölfe, die Grösse des Rudelterritoriums, ihre Habitatwahl oder auch über ihr Beutespektrum. Im Falle der Wölfin F186 gewannen wir Erkenntnisse über die Ausdehnung des Frühjahrsstreifgebiets, die Dynamik des räumlichen Verhaltens, den Zeitpunkt der Auswahl des Wurfplatzes und dessen Standort. Wir werden GPS-Daten auch für eine Prädationsstudie nutzen, um herauszufinden, wie gross der Futterbedarf an grossen Beutetieren ist und welche Kategorien (Arten, Alter) von Beutetieren gefressen werden. Anhand der Daten einzelner Wölfe am Sender können wir primär Aussagen über dieses Tier vornehmen und nicht auf andere Wölfe generalisieren: Da die Rudelmitglieder selten alle zusammen unterwegs sind und jedes Individuum des Rudels sich anders verhält, ist es schwierig, von einem einzelnen Tier auf das ganze Rudel zu schliessen, und es ist unmöglich, weitere Verallgemeinerungen vorzunehmen.
Können die Daten von GPS-Sendern aus dem «Wolves and Cattle» als Warnsystem für Nutztierhaltende verwendet werden?
Die Funktionsweise von heutigen GPS-Halsbändern bringt einige Limitierungen mit sich: Durch vierstündige Abstände in der Datengenerierung und mindestens 16-stündigen Abständen bei der Übermittlung ist es nicht möglich, genau zu wissen, wo sich der Wolf zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhält. Innerhalb einer Nacht kann ein Wolf beispielsweise das gesamte Territorium durchstreifen. Mit diesen Daten können wir demnach retrospektiv wissenschaftliche Fragen beantworten, aber nichts über eine aktuelle Position aussagen. Somit können die Daten nicht als Warnsystem für Nutztierhaltende verwendet werden und die Besenderung ist damit kein Mittel für den Herdenschutz. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die Besenderung von einzelnen Wölfen normalerweise in Rudelgebieten stattfindet und höchstens einzelne Wölfe am Sender sind. Die Umsetzung von Schutzmassnahmen sind in Gebieten, wo Wölfe leben, immer angebracht.
Sind die Rohdaten der GPS-Signale auf Anfrage erhältlich?
Die GPS-Daten aus dem «Wolves and Cattle»-Projekt sind nicht öffentlich einsehbar. Die Daten werden mit den Projektpartnern (Kanton Waadt und Universität Lausanne, Département d’Ecologie et Evolution) geteilt. Für die Öffentlichkeit werden aus den Daten generierte Analysen regelmässig über die KORA-Webseite, den KORA-Newsletter, Social Media und die Zusammenarbeit mit Medien zugänglich gemacht.
PROJEKTINFORMATION
Das Projekt wird durch private Stiftungen finanziert und wird in Zusammenarbeit mit AGRIDEA, dem Kanton Waadt, der Universität Lausanne (Département d‘écologie et évolution) und dem Institut für Fisch- und Wildtiergesundheit (FIWI) der Universität Bern und mit Unterstützung von OPPAL und FJML durchgeführt. Ein Teil des Projektes wird im Rahmen von zwei Doktorarbeiten umgesetzt.
Projekt Dauer: 2022–2026
Untersuchungsgebiet: VD
Kontakt KORA: Christian Stauffer
News

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F259 in Begleitung eines Männchens.

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